Social-Selling-Experte: Zoran Katic im Interview

Vor 18 Jahren hat Zoran Katic seine Vertriebskarriere mit der klassischen Kaltakquise über das Telefon begonnen. Als Inhaber und Geschäftsführer der Pluspulso GmbH hat er noch heute den Fokus auf der B2B-Neukunden-Gewinnung, aber die Strategie hat sich verändert. Während er mit der Kaltakquise damals das „Push-Marketing“ genutzt hat, bevorzugt er inzwischen das „Pull-Marketing“. Katic verbindet dabei neue Kommunikationswege, wie LinkedIn, mit dem persönlichen Beziehungsaufbau des klassischen Vertriebs. Wie er das für sein Unternehmen umsetzt und was er seinen Kundinnen und Kunden empfiehlt, verrät er uns in diesem Experten-Interview mit snapADDY-CEO Jochen Seelig.



Zoran Katic

Digital Sales Enablement: LinkedIn Training für B2B Sales Teams
Geschäftsführer Pluspulso GmbH

 

Experteninterview

Von der Kaltakquise zum "Social Selling"

Jochen Seelig: Zoran nimm uns gerne mal mit auf deine Reise – was machst du heute und wie bist du da hingekommen?

Zoran Katic: Ich war jahrelang Angestellter und in der Firma bekannt als der „Telefonmann“, weil ich klassische Kaltakquise betrieben habe. Als dann die Business-Plattform OpenBC – heute Xing – auf den Markt kam, habe ich festgestellt, dass sich dort viele interessante Kontakte befinden und begann auch auf der Plattform Kontakt mit potenziellen Kunden aufzunehmen. So hat sich die B2B-Neukundengewinnung für mich verlagert, die man heute unter dem Begriff „Social Selling“ kennt. Nach vielen Jahren als Angestellter habe ich mich dann selbstständig gemacht als Agentur, um für andere Unternehmen Leads zu generieren und Termine auszumachen. Irgendwann kam dann noch LinkedIn dazu und 2017 war es bereits so, dass ich dort schneller Antworten erhalten habe als auf Xing. Inzwischen spielt sich das meiste auf LinkedIn ab. Mit der Zeit kamen die Unternehmen auf mich zu und meinten, sobald ich weg bin, fallen auch die Leads weg. Daher habe ich den Fokus geändert und statt der Neukundengewinnung als Dienstleistung biete ich heute Schulungen zum Thema „Social Selling“ an.

Was ist "Social Selling"?

Seelig: Der Begriff „Social Selling“ wird heutzutage recht inflationär verwendet und es gibt immer wieder Online-Sessions zum Thema, die recht oberflächlich gehalten sind und nicht eindeutig definieren, was man überhaupt darunter versteht. Wie würdest du den Begriff „Social Selling“ beschreiben und, wie würdest du ihn von anderen Verkaufsstrategien abgrenzen?

Katic: Du hast recht, inzwischen wird sehr viel mit dem Begriff gelabelt. Ich und auch viele andere bevorzugen den Begriff „Modern Selling“, da der Begriff besser zu dem sehr großen strategischen Kommunikationsanteil passt. Dadurch, dass ich aus dem Vertrieb komme, liegt mein Fokus auf der Kundengewinnung. Nach 15 Jahren in diesem Bereich kann ich ein Resümee ziehen: Es geht um einen Kontakt mit potenziellen Kunden ohne den Fokus auf eine direkte „Conversion“. Das heißt, ich baue Kontakt auf bevor die Personen ein Problem oder Bedarf an meinen Dienstleistungen haben. Wenn der Zeitpunkt allerdings da ist, kennen sie mich und meine Arbeit bereits. Wenn ich „Social Selling“ regelmäßig und mit vielen Personen betreibe, melden sich oft Kontakte bei mir, die mich schon kennen und im besten Fall sogar mögen. Jeder der langjährige Kontakte hat, weiß: Es ist ein ganz anderer Vertrieb, wenn man sich vorher kennt. Also Sichtbarkeit und Beziehung aufbauen hilft, leichter an Deals zu kommen.

Seelig: Ich habe auch die Erfahrung gemacht, dass Personen mich und snapADDY mit „Social Selling“ gut kennenlernen können ohne das klassische Verkaufsziel. In einer gewissen Position bekommt man häufiger Netzwerkanfragen und sofort eine typische Verkaufsnachricht. Das ist genau das, was man nicht machen sollte, richtig?

Katic: Diese Art der Akquise muss ich gestehen, habe ich jahrelang selbst – auch erfolgreich – betrieben. Es war auch angenehmer die Personen nur anzuschreiben und nicht mehr anzurufen. Irgendwann hat sich das allerdings gewandelt und wird heute so häufig genutzt, dass wir primär genervt von solchen Anfragen sind. Ziel ist es also beim „Social Selling“ anders in Kontakt zu treten und Vorarbeit zu leisten, dass die Personen offen sind für einen Austausch und dann funktioniert das nach wie vor recht gut.

LinkedIn Sales Navigator

Seelig: Ich kenne einige Unternehmen, die auf Grund der ausfallenden Messen jetzt LinkedIn Sales Navigator Lizenzen gekauft haben in der Hoffnung, dass das Vertriebsteam jetzt digital über LinkedIn Leads generiert, Kunden gewinnt und Umsätze macht. Von ein paar Firmen weiß ich auch, dass die Ernüchterung folgte, weil das nicht sonderlich gut funktioniert hat. Wie stehst du dazu, sich als Unternehmen Sales Navigator Lizenzen für die Vertriebsabteilung zu kaufen? Was kannst du Unternehmen empfehlen?

Katic: Der Sales Navigator ist eine Premium-Lizenz von LinkedIn, mit der man hilfreiche Vertriebsmöglichkeiten, wie eine bessere Recherche oder Leadspeicherung hat. Ich beobachte auch, dass diese Lizenzen gerne als schnelle Lösung gekauft, jedoch nicht genutzt werden. Der Grund dafür ist, dass nicht genau verstanden wird, was man damit machen soll. Das Tool hilft bei der Aktivität digital mit Kunden in Kontakt zu treten – besser, schneller und effektiver. Dafür wird allerdings auch eine Strategie benötigt: wen will ich ansprechen und was sind die Interessen meiner potenziellen Kunden. Das heißt, der Sales Navigator wird als Analyse-Tool genutzt, was ich auch sehr gut finde. Aber letztlich hat sich für die Kunden gar nichts geändert, denn sie erhalten weiterhin Verkaufsanfragen, nur als InMail (Funktion des Sales Navigator alle Mitglieder ohne Vorstellung oder Kontaktinformation zu erreichen) statt als persönliche Nachricht. Stattdessen sollte man den Sales Navigator in einen Prozess bringen und ihn nicht nur als Abkürzung sehen.

Seelig: Mit dem Sales Navigator kann man dank der Filteroption die richtigen Ansprechpartner sehr gut identifizieren, aber die InMails bleiben meiner Erfahrung nach auch eher unbeantwortet. Also sollte ich eher beobachten, wie aktiv jemand ist und wie ich in eine Kommunikation – über einen Post oder andere Aktivitäten – kommen kann.

Katic: Je nach Lizenz habe ich schon sehr viele Möglichkeiten mit dem Sales Navigator – bis hin zu Informationen auf Personenebene, was sehr spannend ist. Der Fehler ist allerdings oft, dass zwar diese Tools genutzt werden, aber dann direkt versucht wird den Abschluss zu machen, wenn die Kunden noch gar nicht bereit sind. Heutzutage haben die Kunden im Verkaufsprozess das Ruder in der Hand und wollen selbst entscheiden, wann sie mit einem Vertriebler in Kontakt treten. Das ist für den Vertrieb eine sehr wichtige Erkenntnis nicht immer pro-aktiv auf Kunden zuzugehen, sondern den Weg für Anfragen bereiten, aber den Kunden über den Zeitpunkt entscheiden lassen.

Seelig: Irgendwann muss es dann natürlich zum Abschluss kommen, aber eben zur richtigen Zeit.

Katic: Früher haben wir Kunden und Interessenten beispielsweise zweimal pro Jahr auf Messen gesehen, heute haben wir über die sozialen Netzwerke wöchentlich – wenn nicht sogar täglich – die Möglichkeit mit ihnen in Kontakt zu treten oder zu schauen, wofür sie sich interessieren über die „Gefällt mir“-Angaben von Beiträgen oder eigene Posts. Das sollten wir nutzen, um die Kunden mit einer relevanten Nachricht anzusprechen. Beispielsweise können wir eine aktuelle Aktivität des Kontakts aufgreifen und schreiben: „Ich habe gesehen, dass dich das Thema XY aktuell interessiert. Vielleicht kann ich dir dabei weiterhelfen. Bist du offen für ein Gespräch dazu?“. Das ist was anderes als, wenn man direkt schreibt: „Wir sind die Firma XY und bieten XY an. Wann wollen wir uns dazu hören?“

Praxistipp: Messe-Vorbereitung auf LinkedIn

Seelig: Bleiben wir gleich bei dem Thema Gesprächsaufnahme und geben einen Praxistipp. Im Sommer sind wieder vermehrt Präsenz-Auftritte geplant. Wie kann ich mich im Vertrieb konkret über LinkedIn auf eine Messe vorbereiten?

Katic: Viele Unternehmen telefonieren und verschicken E-Mails vor einer Messe. Auf den Kanälen der sozialen Netzwerke kann ich das sehr effektiv erweitern. Viele „committen“ sich nicht gerne über das Telefon, stattdessen kann man beispielsweise ein LinkedIn-Event anlegen. Dort können Kunden und Interessenten virtuell eingeladen werden und so kann man in Kommunikation mit ihnen treten durch das „anteasern“ von Inhalten. Das Event kann und sollte man darüber hinaus bewerben. Die Kommunikation im Voraus ist der Spannungsaufbau, bis es dann zur physischen Messe als Höhepunkt kommt. Eine Messe dauert vielleicht drei Tage, aber über die sozialen Netzwerke sind Kunden 365 Tage erreichbar. Die Zeit, nachdem die Erinnerungen an eine Messe verblassen, wird immer schneller. Darauf sollte man reagieren, indem man beispielsweise snapADDY VisitReport nutzt, um auf der Messe mit dem integrierten Visitenkartenscanner - dem snapADDY CardScanner - Visitenkarten scannt und die erfassten Kunden im Anschluss kontaktiert. Außerdem macht es Sinn über generellen Content, wie Postings, auf dem Radar der relevanten Personen zu sein und auch auf Dauer zu bleiben.

Seelig: Im Endeffekt dreht sich im Vertrieb alles darum, Aufmerksamkeit von Interessenten und Entscheidern zu erhalten. In Zukunft keine Kaltakquise und keine E-Mail-Kampagne mehr zu machen, sondern nur noch „Social Selling“ ist auch nicht der richtige Weg. Stattdessen sollte es eine Mischung aus all diesen Komponenten sein.

Katic: Das stimmt. Aufmerksamkeit für Termine oder Werbung zu erhalten, wird immer schwieriger – das zeigen auch mehrere B2B-Umfragen. Viele unterschätzen das Thema, da man früher einmal auf Messe und dann lange im Gedächtnis war, während man heute schnell wieder in Vergessenheit gerät auf Grund der vielen Eindrücke. Werbung ist eine Option, um für Aufmerksamkeit zu sorgen, aber „Social Selling“ über die Mitarbeiter ist ein anderer Weg.

Seelig: Entscheider erreichen in der Regel täglich viele Informationen. Das heißt, ich muss je nachdem mit wem ich spreche auch einen geeigneten Kanal finden. Es gibt auch Entscheider, die gar nicht über LinkedIn erreichbar sind. Den sollte ich entsprechend zum Beispiel anrufen. Es gibt allerdings auch rechtliche Beschränkungen bei der Kontaktaufnahme, es ist für ein Unternehmen nicht immer ganz leicht. „Social Selling“ ist eine schöne Erweiterung für mehr Sichtbarkeit, und zwar im Rahmen dessen, was möglich ist. Man muss nur darauf achten nicht zu sehr in das „Push-Marketing“, also die aktive Akquise, zu rutschen.

Katic: Genau, wie du sagst, bei „Social Selling“ geht es darum seinen Werkzeugkasten zu erweitern. Man sieht, dass die Verweildauer auf LinkedIn stark zunimmt. Dadurch, dass oft die App noch auf dem Smartphone installiert ist, werden Kontakte recht schnell und einfach erreicht. Daher sollte man das auch für sich nutzen.

Seelig: Richtig, man muss einfach schauen, wen man wo am besten antrifft. Außerdem glaube ich, dass man kreativ werden darf mit einer anderen Art der Anrede. Gestern erst hatte ich ein inspirierendes Erlebnis, als ich eine Mail von einem anderen Software-Unternehmen erhalten habe. Mit der Mail haben sie unser Online-Meeting bestätigt und als Goodie einen Kaffeegutschein angehängt, sodass ich ganz entspannt in das Meeting starten kann. Das kannte ich zuvor nicht und sorgt schon für Vorfreude auf unseren Termin.

Katic: Das glaube ich. Heutzutage findet sehr viel Automation statt und ich möchte den Bereich auch gar nicht schlecht machen. Trotzdem sieht man, dass der bewusste persönliche Kontakt – wie in deinem Beispiel von eben – den Unterschied macht. Eine Videonachricht ist auch eine schöne Möglichkeit für einen persönlichen Kontakt, der vermittelt „ich sehe dich und schenke dir Aufmerksamkeit“, was in dem aktuellen Informationsüberfluss gerne auf der Strecke bleibt. Die Mensch-zu-Mensch-Ebene ist besonders für erklärungsbedürftige Produkte ein wichtiger Aspekt. 80 % der Leadgenerierung können gerne automatisiert werden, aber für erfolgreichen Vertrieb sollten dennoch 20 % auf einer persönlichen Ebene stattfinden.

"Social Selling" für Neueinsteiger

Seelig: Welche Tipps hast du für Unternehmen, die bis jetzt noch gar nicht auf Xing oder LinkedIn aktiv sind?

Katic: Es gibt nicht die Lösung für alle – das kommt auf die Firmenkultur an oder, wie der Zielmarkt und meine Marktgröße aussehen. Generell lebt eine Plattform, wie LinkedIn, vom Austausch. Bedeutet, ich brauche Menschen auf dem sozialen Medium. Im besten Fall sind dort unterschiedliche Personen – mit einer Mischung aus professionellem, aber auch persönlichem Auftreten. Ich sollte mir überlegen, welche Personen in meinem Unternehmen motiviert und prädestiniert sind, in den Austausch und in den Markt zu gehen. Das kann jemand aus dem Vertrieb sein, aus dem Produktmanagement oder aus dem Pre-Sales. Wichtig ist, dass die Leute gerne vor und mit dem Kunden sprechen und interagieren. Außerdem sollte es kein starres Konzept zur Kontaktaufnahme geben, sondern es geht um die Persönlichkeiten. Wenn man als Unternehmen befürchtet, dass ohne Vorgaben etwas nicht so läuft wie gewünscht, macht es natürlich Sinn, Mitarbeitende zu schulen. Wir sehen an Firmen, die „Social Selling“ schon seit Jahren betreiben, dass sie den Mitarbeitern gerne Spielraum geben, um wirklich erfolgreich zu sein. Unternehmen wählen Mitarbeiter für „Social Selling“ gerne danach aus, wer Zugang zu einem potenziellen Markt bzw. Kunden hat. Meiner Erfahrung nach ist es allerdings vor allem wichtig, dass die Leute intrinsisch motiviert sind und was umsetzen möchten. Das geht auch mal über die Kernarbeitszeit hinaus. Also macht es Sinn, sich gezielt Leute auszusuchen und es über eine längere Zeit zu beobachten, was sich entwickelt. Es gibt nicht das eine Programm, sondern lieber ein paar als Pioniere ausbilden, die dann auch als Leit- und Vorbild für die anderen fungieren. Wichtig zu erwähnen ist auch noch folgender Punkt: Oft wird von der Management-Ebene nicht verstanden, dass Aktivitäten auf LinkedIn eine zukunftsträchtige und strategische Vertriebsarbeit sind. Neben der Schulung für die Mitarbeitenden, ist also auch das Umdenken des Managements erforderlich.

Seelig: Da bin ich auf jeden Fall bei dir. Ich bin war zwar kein kompletter Neueinsteiger, aber dein Bootcamp hat auf jeden Fall hilfreiche Impulse gegeben, um eine Strategie festzulegen. Darüber hinaus waren mir auch ein paar Möglichkeiten nicht klar, wie ich beispielsweise an Konversationen teilnehmen kann, obwohl ich noch gar nicht mit Leuten vernetzt bin. Es gibt also noch ein paar versteckte Themen auf LinkedIn, die wirklich helfen können, die man sich aber vor Augen führen lassen muss. Ich würde sagen das „Social Seelig“ ist wirklich bei mir angekommen, denn mir bereitet Vertrieb generell viel Freude und der Fokus liegt dabei eben auf der Verbindung zwischen Menschen. Es geht nicht darum jemandem etwas aufzuschwatzen.

Katic: Dem kann ich nur zustimmen.

Seelig: Vielen Dank für deine Zeit, Zoran. Wer mit dir in Austausch treten möchte, kann dich am besten direkt über LinkedIn kontaktieren.

 

Wir danken Zoran Katic für seine Tipps und Tricks rund um den modernen Vertrieb und Social Selling.

Das Interview wurde am 9. Februar 2022 aufgezeichnet und steht Ihnen hier zur Verfügung.